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Patagonien 2013

Patagonien 2013

Cerro Torre, Fitz Roy, Punta Herron – Torre Egger, Ag. Saint Exupery

Story

Bereits im September des vergangenen Jahres sind Isidor Poppeler und ich zusammengekommen um einen Flug nach El Calafate (Argentinien) zu buchen. Nach langem Warten ging es dann am Neujahrstag los.

Einen 17 stündigen Flug und einer 3 stündigen Busfahrt später, standen wir in El Chalten, die „Trekkermetropole“ Argentiniens… aber ohne Gepäck! Erst später erfuhren wir, dass es auf halber Strecke liegen gelassen wurde. Na ja, das Wetter war eh nur windig und eher kalt und so gingen die drei Tage bis das Gepäck dann endlich ankam halbwegs rum. Einen Besuch statteten wir der nahe gelegenen Toni Egger – Gedenkkapelle ab.

Toni Egger war ein Spitzenbergsteiger aus Osttirol, der 1959 mit Cesare Maestri beim Versuch den Cerro Torre von der Nordseite zu besteigen, ums Leben kam. Nach ihm wurde der nördlich davon gelegene Turm benannt – Torre Egger. Bei starkem Wind brachten wir einiges an Material ins sogenannte „Niponino“, wo es mehrere flache Biwakplätze zwischen Moränenschutt am Fuße des Cerro Torre und Fitz Roy gibt. Von dort aus würde dann vielleicht die eine oder andere Tour starten. Um dorthin zu kommen muss man aber eine ca. 6 stündige Wanderung hinter sich bringen… Ein paar Schlechtwettertage nutzten wir noch um uns einzuklettern.

Dann schien sich ein Wetterfenster aufzumachen und wie es sicher später herausstellte, sollte es eine fast zwei – wöchige Schönwetterperiode werden! Im Hinterkopf hatten wir die unglaubliche Nadel des Cerro Torres ganz oben auf der Wunschliste stehen und wie man bereits zu Hause im Internet nachforschen konnte, schien die zur Zeit leichteste Tour, die „Ferrari-Route“ oft begangen worden zu sein – anscheinend so oft wie noch nie! – und sehr gute Verhältnisse aufzuweisen. Auch zwei Freude aus Nordtirol, die sie kurz davor geklettert waren, konnten dies nur bestätigen. Somit stand unser Ziel schon fest und bei einem noch windigen Tag gingen wir ins Niponino um dort zu übernachten.

Am nächsten Tag ging es dann sehr früh los und über einen spaltenreichen und immer steiler werdenden Gletscher erreichten wir schlussendlich das Col Standhart, eine kleine Scharte die einerseits den Start für die Aguja Standhart und anderseits eine Übergang zum „Ciro de los Altares“ bildet.

Wir seilten uns ab und gingen runter zum Circo. Da kam schon die Westseite der Torres mit ihren bizarren Eisgebilden zum Vorschein. Nach ca. vier Stunden Aufstieg kamen wir am Biwakplatz an. Andere vier Seilschaften gesellten sich noch dazu. Die Sonne war dann am Nachmittag so stark, dass wir den Biwaksack über uns spannen mussten um uns zu schützen.

Am nächsten Tag gingen wir kurz vor vier weg und nach einem kurzen „Zustieg“, fängt die Kletterei mit etwas steileren Flanken bis zum „Col de la Esperanza“ an. Die ersten Lichtstrahlen kamen dann heraus und man konnte bereits ein paar dieser Gebilde aus Eis, Schnee und Anraum erkennen. Auf den sogenannten „Elmo“ führt eine etwas steilere Länge bis man erstmals richtig die Westseite des Cerro Torre zu Auge bekommt. Der Sonnenaufgang war da oben traumhaft, die schwachen Lichtstrahlen färbten die Wände rund herum knallrot und die Eisgebilde der Westseite erschienen nicht ganz real für unsere europäische Eiskletteraugen. Ein paar leichte Fels-Eis Längen führen zur sogenannten „Headwall“, eine bis 90° steile Wand aus Schneeeis, die bei uns super zu klettern ging.

Bei jedem Pickelschlag fuhr die Haue fast bis zum Schaft rein – ein wahrer Genuss! Über ein paar leichtere Längen gelangten wir zur letzten schweren Länge, die auf den Gipfelpilz führt. Eine natürliche Verschneidung aus Eis, die dann in einem senkrechten Loch endet, führte uns zum Gipfel. Gewaltig!

Das hätten wir uns nicht gedacht mit Genussklettern auf den Cerro Torre zu gelangen und dies noch bei schönstem Wetter! Wir genossen nochmals das Panorama: nach Osten hin der Fitz Roy und die Steppe dahinter und nach Westen hin das Inlandeis „Hielo Continental“ – Gegensätze, die man nicht oft zu sehen bekommt.

Über die Tour seilten wir dann wieder ab und gingen dann runter zum Circo de los Altares um dort erneut zu biwakieren. Ein sehr früher Start erlaubte uns bei mehr oder weniger hartem Schnee über das Inlandeis nach Norden den Passo Marconi zu erreichen.

Über das Ost-West verlaufende Tal gingen wir dann bis zur Straße raus. So unglaublich schön die Weiten des Inlandeises erscheinen, so unglaublich lang fühlte sich aber auch der Marsch an… Wieder in El Chalten wurde natürlich der Gipfel gefeiert, aber dann musste anständig gerastet werden um die müden Füße wieder erholen zu lassen. Das andauernde schöne Wetter musste aber genutzt werden, also schmiedeten wir schon die Pläne für die nächste Tour. Der höchste Berg des Massivs, der Fitz Roy, sollte über den sogenannten „Casarotto-Pfeiler“ erklettert werden. Wir gingen dann wieder Richtung Passo Marconi um dann bei der „Piedra Fraile“ nordseitig rauf um an Höhe zu gewinnen.

Ein etwas kühlerer Tag war für den Aufstieg in dieser steinreichen Gegend ganz angenehm. Am Abend erreichten wir dann den Passo Guillament und erblickten erstmals die Ostseite des Fitz Roys von der Nähe. Hunderte Meter hohe Wände schießen vom Gletscher in die Höhe. Wir querten den Gletscher rüber zur Zustiegsrinne des Pfeilers und gingen zum Bergschrund rauf um uns zu vergewissern, konnten aber keinen gescheiten Durchgang finden. Somit mussten wir zu „Plan B“ wechseln. Wir schliefen trotzdem am gleichen Ort (unter dem Casarotto Pfeiler) und gingen dann am nächsten morgen über sehr weichen Schnee rüber zur Flanke, die auf die Scharte „Brecha de los Italianos“ führt.

Ein paar Amis war dann so nett vor uns raufzuspuren und uns knapp vor der Brecha vorbeizulassen. Auf der Westseite querten wir dann zur Südostkante des Fitz Roy rüber, wo der „Normalweg“ – die Route „Franco-Argentina“ startet.

Kurz bevor die Kletterei losging, konnten wir wieder einen sensationellen Sonnenaufgang erleben. Hier am Fitz Roy färbt sich das Gestein noch intensiver rot als anderswo in der Gegend. Die Kletterei erwies sich als sehr schön und mit der aufgehenden Sonne wurde es auch wärmer und angenehmer zum klettern.

Über meist Risse und Verschneidungen, die Schwierigkeiten bis 7+ aufweisen, gewinnt man immer mehr an Höhe.

Die letzen drei Längen der Tour waren von einem Eisschlauch durchzogen und somit musste der Seilerste mit zwei Pickel klettern und der Nachsteiger mit den Steigklemmen nachklettern, da wir nur ein Paar Eisgeräte dabeihatten.Über leichteres Fels – Eis, sog. „Schmeefuh“ – Gelände  ging es dann zum Gipfel, den wir um halb drei erreichten. Keine zehn Minuten vergingen und es kamen noch zwei auf den Gipfel rauf, allerdings von der anderen Seite – für uns keine Unbekannten, Thomas Huber und Mario Walder, letzter ebenfalls aus Osttirol. Coole Sache! Wie der Zufall spielt, ausmachen hätten wir es sicherlich nicht können!

Nach kurzer Rast ging es über die Aufstiegsroute wieder Richtung Tal. Erst am Abend erreichten wir schlussendlich die Biwakplätze am „Paso Superior“.

Am nächsten Tag stiegen wir über die „Laguna de los Tres“ nach El Chalten ab. Nach ausgiebiger Quilmes-Feier und zwei Pflichtrasttage, bescherte uns der Wettergott nochmals mit drei schönen Tagen. So dachten wir uns doch mal was weniger Bekanntes zu probieren, den laut Kletterführer „wahrscheinlich schwersten patagonischen Gipfel“ – den Torre Egger. Der leichteste Weg führt über die Schneerampe unter der Aguja Standhart vorbei zum sogenannten „Spigolo dei Bimbi“ auf die Punta Herron, um dann nach einem Abseiler über die „Huber-Schnarf“ auf den Torre Egger zu gelangen. Da noch nicht so viele Bergsteiger auf diesen beiden Gipfel gestanden sind, waren wir uns doch nicht ganz sicher der ganzen Sache gewachsen zu sein. Doch beruhigten uns das schöne Wetter und die vorhandenen Fluchtmöglichkeiten. Also starteten wir am darauffolgenden Tag wieder ins Niponino, wo noch immer unser Zelt stand. Dem hinterlassenen Käse war allerdings nicht mehr zu trauen… Nach kurzer Nacht standen wir wieder am Col Standhart, wo wir uns dieses Mal die Kletterpatschen anziehen durften.

Die Schneerampe war recht ausgeapert und nicht so fein zu begehen, doch konnten wir zu Mittag das Ende der Rampe erreichen.

Zwei Abseilern und einen Seilverhänger später, standen wir zwei Seillängen unter dem „Col de los Suenos“ („Scharte der Träume“). Nun führten zwei leichte Eislängen in der tief eingeschnittenen Schlucht zwischen Aguja Standhart und Punta Herron zur Scharte. Über diese Schlucht verläuft die Route „Tobogan“, über die wir dann wieder Abseilen wollten. Hier fing die Pfeilertour zur Punta Herron an. Unsere Taktik war: der Vorsteiger mit einem leichten Rucksack und Kletterpatschen und der Nachsteiger mit einem schwereren Rucksack, aber mit Bergschuhen und Steigklemmen nachzukommen. Die Kletterei war wunderbar! Risse, Schuppen, Platten – zur einen Seite der Fitz Roy und zur andere das Inlandeis, eine Kulisse wie selten irgendwo zu finden ist.

Am Ende der Pfeilerkante, unterhalb der Gipfeleispilze der Punta Herron, fanden wir eine flaches Plätzchen, wo wir dann biwakierten. Der Sonnenaufgang war dann wieder große Klasse! Eine Stunde bevor die Sonne aufging, konnte man schon das rote Licht in den Wolken über den östlich gelegenen Viedma – See erkennen. Das werden wir sicher nicht mehr so schnell vergessen.

Dann hieß es wieder anzupacken; kurz noch mit den Kletterpatschen bis zum Eispilz und dann wechseln auf Bergschuhen, Steigeisen und Eisgeräte. Eine leichte und eine etwas steilere Länge durch einen Schlauch führten zu einem ausgesetzten Grat. Queren und dann nochmals ums Eck rum und dann standen wir auf dem kleinen Eispilz der Punta Herron. Die Gipfelwand des Torre Egger stand nun vor uns und sah von hier steil und kompakt aus. Etwas eingeschüchtert seilten wir dann ins sogenannte „Col de Lux“ ab, die Scharte zwischen Herron und Egger. Hier ließen wir unsere 60 Meter lange Reepschnur hängen, um dann sicher zurückkommen zu können. Der Wind frischte hier dann etwas auf, dennoch hielt das schöne Wetter wie vorhergesagt an. Nun schien der Fels doch strukturierter als vom Nebengipfel aus. Zwei Längen gerade rauf und ein langer Quergang führten unter dem Gipfeleispilz des Torre Egger. Die Verhältnisse waren super, kein Eis, Sonne und die cleane Kletterei im sechsten – siebten Grad ein wahrer Genuß! Ein paar Meter noch bis zum Eis, dann eine Eisschraube reindrehen und reinsitzen um auf Eiskletterausrüstung zu wechseln. Beide Sportarten – Felsklettern und Eisklettern in einer Länge ausüben zu können, ist dann doch was Besonderes und kommt im Bergsteigerleben wahrscheinlich nicht so oft vor! Eine lange und steile Seillänge, mit saftigen Schneeeis führten fast bis zum Gipfel. Noch einmal rechts ums Eck über eine kleine Stufe und dann standen wir oben. Wir konnten es kaum glauben, wir hatten es geschafft!

Wie wir später erfuhren nicht nur als erste Osttiroler, sondern wahrscheinlich auch als erste Österreicher hatten wir die Ehre auf dem einzigen Gipfel auf der Welt, der nach einem Osttiroler benannt worden ist, zu stehen. Wir blickten in die Nordwand des Cerro Torre und ließen einen Juchizer raus. In der Ferrari-Route waren Leute unterwegs und juchizten retour – wie geil! Es war für uns wirklich emotionale Momente… Wir konnten aber nicht lange oben bleiben, denn vom Egger runterzukommen ist keine kurze Angelegenheit. Wir seilten wieder zu unserer Schnur zum Col de Lux ab, jümarten über diese wieder zurück auf den Herron, seilten an unserem Biwakplatz vorbei ab und dann ging es weiter über den „Spigolo dei Bimbi“ und schließlich über die ganze „Tobogan“, die sich schon als offensichtliche Abseillinie, aber durch die erhöhten Temperaturen, als nicht ganz ungefährliche „Abseilpiste“ erwies. Heilfroh wieder unten am Gletscher zu stehen, gingen wir dann noch die zwei-drei Stunden runter zu unserem Zelt im Niponino, wo wir in Sekundenschlaf fielen. Am nächsten Tag ging es dann mit „elendig“ – schweren Rucksäcke raus auf El Chalten, wo die ganze Aktion dann anständig gefeiert wurde!

Es vergingen dann noch einige Schlechtwettertage bis sich dann ein nicht ganz deutliches Wetterfensterchen auftat. Ein bisschen gelangweilt im Dorf herumzuhängen, dachten wir uns: „gema doch rein und schauma mol, vielleicht geht wos!“. So sind wir bei weniger Wind als gemeldet zum erneuten Male ins Torretal reingegangen, doch diesmal mit sehr leichten Rucksäcken und hauptsächlich ohne Bergschuhen und Steigeisen.

Noch ein Stück weiter vom Niponino befindet sich auf der rechten Seite oben auf der Moräne ein Riesenstein. Eine schützende Steinmauer bildet hier einen feine Biwakplatz – den sogenannten „Polacos“. An den Egger Toni mussten wir dann am etwas weiter oben gelegenen Grabstein denken. Die Aussicht war hier wieder ganz besonders. Die Wolken, die den Torre umgaben rissen dann auf und ein feiner Schneeanraum, der den oberen Teil der vier Torres umgab, war dann zu erkennen. 

Am nächsten Tag standen wir dann wieder früh auf, das Wetter schien halbwegs zu halten und wir versuchten unser Glück an der „ultraklassischen“ Klettertour „Chiaro di Luna“ an der Aguja Saint Exupery. Nach einem 1,5 stündigen Aufstieg standen wir am Einstieg. Es war noch kalt und dunkel und wir wussten nicht recht, ob wir einsteigen sollten oder nicht. Wie es heller wurde, überwanden wir uns und nach einem „Zustiegs-Basalt-Gang“ ging dann die Kletterei im schönsten Granit los. Risse, Risse, Verschneidungen und Kamine im meist festem Fels führten uns bis zum Gipfel rauf. Es wäre ein wahrer Genuß gewesen, wenn es nicht nur so kalt geblieben wäre… Wir waren angezogen so wie bei uns beim Eisklettern! Nichtsdestotrotz eine wirklich coole Tour – und noch besser, wir standen wieder oben und diesmal fast ganz alleine! Eine andere Seilschaft war noch am El Mocho unterwegs.

Nun hieß es zum letzten Mal nochmals aufpassen. Das Seil verhängte sich gleich beim zweiten Abseiler und Isidor musste nochmals eine ganze Länge wieder raufklettern. Ab dann ging es dahin und bald waren wir wieder im Polacos. Nun mussten wir raus aus dem Torretal. Am nächsten Tag war Sturm angesagt. Nach einem langen Marsch erreichten wir schlussendlich um Mitternacht unsere Behausung. Eine take-away Pizza und eine halbe Quilmes später fielen wir dann erschöpft, aber völlig zufrieden ins Bett!

Nun ist es Zeit zum Heimfliegen… Unser Resümee? Wir hatten extrem Glück mit dem Wetter, doch glaube ich waren wir gescheit genug, das Beste rausholen zu können. Das Bergsteigen in Chalten ist zwar von den weiten „approaches“ geprägt, die aber erst das aus den Bergen machen, was sie dann wirklich wert sind. Die vielen nicht immer gut vorbereiteten Seilschaften, die wir am Cerro Torre und z.T. auch am Fitz Roy angetroffen haben, zeugen von einem Trend in Patagonien, in dem das „freche“ Bergsteigen, mit Hubschrauberhilfe im Hinterkopf – wie es in den Alpen betrieben wird, immer mehr aufkommt. Der kleine Unterschied ist, dass es hier doch keinen Heli gibt und man auf menschliche Hilfe angewiesen ist und dies bei diesen langen Zustiegen… Wir sind gespannt wo das hinführt. Isidor war hier schon das zweite Mal und wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr runterfliegen. Ich persönlich weiß, dass noch eine Saison mit soviel schönem Wetter nicht mehr leicht zu erwischen sein wird… Aber zu Hause warten immer noch spannende Projekte!

Salut und bis bald!

von Vitto, El Chalten, 4.2.2013